Rrring rrring (Lisa)

Von keinem meiner Berliner Freunde habe ich eine Festnetznummer.

Der zentrale Aufenthaltsort war in der Stadt einfach nicht die eigene Miet-Etagen-Wohnung. Sondern der Spielplatz, das Strassencafé, die Bolzwiese. Dort trafen wir uns. Dort verbrachten wir unsere Zeit. Wir flüchteten aus den eigenen vier Wänden. Um uns zu treffen. Oder um dem Chaos vorzubeugen, das entsteht, wenn die Kinder einen ganzen Nachmittag lang zu Hause sind.

Hier auf dem Land ist es das Gegenteil. Ich bekomme eine Festnetznummer nach der nächsten. Ich fürchte mich vor Festnetztelefonnummern, ich weiß gar nicht genau wieso. Weil zum Beispiel jemand dran gehen könnte, den man eigentlich gar nicht sprechen wollte? Ich weiß es nicht. Ich bin eben einfach nur noch Handys gewohnt. Und auf denen ruf ich am liebsten auch nicht an, um niemanden zu stören, sondern schreibe sms. Ich schäme mich hier jedes Mal, wenn ich nur meine Handynummer aufschreiben kann, weil dieser große deutsche Telefonanbieter es nicht hinkriegt, uns ein Festnetz zu installieren…

Ja, das Festnetzding ist schon ein gravierender Unterschied zwischen Stadt und Land. Überhaupt kommt es mir so vor, als seien die Menschen hier weniger spontan, als genügten sie sich selbst. Eine Verabredung zwischen den Kindern soll möglichst schon Tage im Voraus feststehen, die Wege zwischen den Häusern sind weiter, nichts geht ohne Auto und der gesamte Alltag verläuft weit voneinander entfernt.

In Berlin fuhr ich mit dem Rad zur Kita und wusste nicht, wo es mich eine halbe Stunde später hintreiben würde. Mit Mutter A auf ins Eiscafé oder mit Mutter B in den Volkspark Friedrichshain. Ich habe es abhängig gemacht von der Laune und Lust meiner Kinder, vom Wetter, von meinem Interesse und von den Personen, die zufällig gerade gleichzeitig ihr Kind aus der Kita holten. Ohne Auto. Zu Fuß oder mit dem Rad.

Das gibt es hier nicht oder zumindest ist es mir bisher noch nicht untergekommen. Die Leute hier haben Eigentum, sie haben ihren eigenen Spielplatz im Garten, auf den öffentlichen trifft man keine Menschenseele, die Eltern hier müssen zum Baumarkt, Unkraut jäten, die Kinder zur Musikschule fahren, einkaufen für Wochen, weil selbst der Supermarkt zu weit weg ist, um jeden Tag zu schauen, auf was man Hunger hat.

Ich verurteile das nicht. Ich stelle das fest und muss mich jetzt einfach umstellen. In Berlin haben wir uns so wenig wie möglich zu Hause aufgehalten, wir haben unseren Alltag eng mit dem unserer Freunde bzw. mit dem der Freunde unserer Kinder verwoben und geteilt. Es ist hier einsamer, wenn man nicht plant. In Berlin lebten wir mit vielen Leuten auf einem gemeinsamen Fleck. Hier lebt jeder auf seinem eigenen Fleck. Ich werd mal versuchen, mir meinen noch zu erobern. Hoffentlich klappt das bald mit dem Fetsnetz…

Über nusenblaten

Es geht um eine Mutter, einen Vater und ihre drei Kinder. Erst im Kinder-Mekka Prenzlauer Berg, nun mitten auf dem Land mit Ziegen und Fernweh. Es geht um die großen und kleinen Themen der Elternschaft. Der abwechselnde Blick von Mutter und Vater sorgt für teils überraschende, teils lustige Einblicke in die Welt zweier berufstätiger Eltern mit drei Kindern, die in nur zwei Jahren geboren wurden.
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10 Antworten zu Rrring rrring (Lisa)

  1. Katrin schreibt:

    Ein passender Text dazu: http://www.textzicke.de/zusammen-und-doch-irgendwie-allein/
    Wir bauen gerade in der Nähe von Köln und da die Gärten noch nicht fertig sind, sieht man immer eine Horde kleiner dreckiger Kinder auf der Straße 🙂 Aber vermutlich wird sich das auch ändern, wenn jeder seine Rutsche und seine Schaukel usw. hat

  2. aufZehenspitzen schreibt:

    ich bin auf dem land aufgewachsen (ähm, naja … und es war natürlich nicht nur so, wie eben erst hier – http://aufzehenspitzen.wordpress.com/2012/07/17/dorf-essen-seele-auf/ – geschildert), aber jedenfalls hat das festnetz unglaubliche vorzüge. man erwischt zwar fast immer genau die person, die man eigentlich nicht anrufen wollte, so kommt man aber auch mal mit denen ins gespräch, die man sonst, am handy, nie explizit anrufen würde (die freunde und ehemänner von freundinnen zb). das finde ich nach wie vor schön, wenn ich die, die am land geblieben sind oder wieder hin sind, anrufe. auf dass ihr bald verfestnetzt seid!

    • nusenblaten schreibt:

      Da hast Du irgendwie recht. Wie gesagt: Ich verurteile es nicht. Ich muss mich nur noch erst dran gewöhnen. Also nicht an den Telefontechniker möglichst, sondern an das dann hoffentlich funktionierende Telefon.

  3. Desiree schreibt:

    Liebe Lisa: 03029009222 😊

    • nusenblaten schreibt:

      Haha, Du hast recht. Deine Nummer hab ich schon mal gewählt. Lustigerweise hab ich sie aber nicht im Handy. Also nie abgespeichert. Dafür jetzt verewigt hier bei Nusenblaten…

  4. Na schreibt:

    (Na toll, Roman geschrieben und beim Absenden alles weg. Auf ein Neues ;o) )

    Hallo!

    Das, was du hier beschreibst, klingt für mich fast schon beklemment. Diese „Landleben“. Liegt aber wahrscheinlich daran, dass so auch meine Erinnerungen an meine Kindheit sind. Ich bin in einem ECHTEN Provinznest groß geworden.
    Für mich schrecklich. Die Beschreibungen zu Berlin klingen toll, genau „mein Ding“.

    Jetzt wohne ich mit Mann und zwei Kindern in Köln (ich winke mal von der anderen Rheinseite). Stadtrand. Das äusserste der Gefühle. Gerade noch mit KVB erreichbar.

    Fühlst du dich denn wohl mit eurem Umzug? (Ich kenne deinen Blog erst seit einigen Wochen).
    Man muss sich wohl einlassen (können) auf das Landleben…! :o)

    viele Grüße!
    Na

    • nusenblaten schreibt:

      Ich winke fröhlich zurück von der Schäl Sick. Ich bin zwar in Berlin geboren, aufgewachsen aber auch in einem Provinznest. Als Kind fand ich das traumhaft-super. So geht es unseren Kindern auch. Sie lieben es. Erst gestern ist uns ein Katzenbaby zugelaufen und alle konnten kaum schlafen vor lauter Aufregung. Ich als Erwachsene muss mich aber noch dran gewöhnen. Mal sehen, ob´s klappt und wenn ja, wie lang es dauert. Ich halte Euch auf dem Laufenden.

  5. Na schreibt:

    „beklemmend“ mit D am Ende!!!! :o))

  6. Henrik schreibt:

    Jaja, die Spontanität… Ich glaube das ist ein sehr kostbares Gut.
    Wir selbst sind auch sehr spontan, gerade mal dahin oder abends mal Freunde treffen. Jetzt haben wir uns letzte Woche entschieden spontan mit einem anderen Pärchen auch mit Baby gemeinsam ein Wochenende an der Nordsee zu verbringen. Gerade einfach mal so. Sicherlich bedarf es dafür auch eines „Herdenantreibers“ aber es geht auch auf dem Lande spontan, ich denke man muss nur wollen.
    Letztens hatte mir ein Freund sein ‚Leid‘ geklagt, Spontanität wäre nix für seine Frau, das müsste immer Wochen vorher geplant sein, damit die Kids auch alles passend hätten, Essen etc. Einfach mal ein Tagesausflug ins Grüne, der am Morgen oder Tag vorher geplant wird, gibt es leider nicht.
    Da ist mir erst bewusst geworden, wie gut es einem geht wenn man auch mal spontan etwas machen kann. Sicherlich geht es unspontanen Eltern/Menschen auch gut – aber ich bin froh spontan und flexibel zu sein!

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